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Anthia in Shanghai
– HONGKOU

Anthia in Shanghai

Die große Glaswand auf die Metropole

„Ich wohne in einem geschichtsträchtigen Haus, was ungewöhnlich ist in einem Land, in dem sich alles so schnell wandelt, von einem Monat zum nächsten, in dem irgendwie ein beständiges, rauschhaftes Streben in Richtung Zukunft herrscht. Meine Wohnung hier ist riesig und geht Richtung Osten. Jeden Tag sehe ich den Sonnenaufgang und jeden Tag hat er eine andere Farbe.“ Ein Umzug aus Liebe, ein Sich-Verlieben in eine neue Stadt.

HÖREN SIE DIE VOM AUTOR FLAVIO SORIGA GELESENE GESCHICHTE

Eine Liebesgeschichte wie im Film

Es gibt Liebe, die nach kaum mehr als einem ersten Blick erblüht, das wissen wir aus Filmen, das zeigt das Leben. Es kommt nicht oft vor, aber es kommt vor. Anthia hat sich auf den ersten Blick in ihren Lebensgefährten verliebt, im Alter von vierzehn Jahren. Wenige Monate später trennten sich die beiden. Als Anthia einundzwanzig war, trafen sie einander am Bahnhof von Hongkong wieder. Allerdings waren beide in einer Beziehung. Nach fünfundzwanzig Jahren kreuzten sich ihre Wege erneut in seiner Bar in Shanghai. Auch damals waren beide in einer Beziehung, aber wie wir aus Märchen und Filmen wissen, gewinnt letztlich immer die Liebe und so kamen Anthia und ihre Jugendliebe schließlich wieder zusammen und Anthia zog nach Shanghai. „Langsam beginne ich mich auch in die Stadt zu verlieben“, meint sie. „Es hat ein Jahr gedauert, bis ich eine Wohnung gefunden habe, die mir gefällt, aber jetzt habe ich eine. Ich wohne in einem geschichtsträchtigen Haus, was ungewöhnlich ist in einem Land, in dem sich alles so schnell wandelt, von einem Monat zum nächsten, in dem irgendwie ein beständiges, rauschhaftes Streben in Richtung Zukunft herrscht.“ Das Gebäude, in dem Anthia heute wohnt, wurde von einem Mann mit einer außergewöhnlichen Geschichte erbaut: Ellice Victor Elias Sassoon, geboren in Neapel und gestorben in Nassau, sephardischer Jude mit irakischen Wurzeln, dritter Baronet von Bombay, im Ersten Weltkrieg im Kampf verwundet. Bekannt als herausragender Geschäftsmann ließ Sassoon Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts das Peace Hotel und zahlreiche weitere wunderbare Gebäude in Shanghai erbauen. „Sir Sassoon war Reisender, Fotograf, Philanthrop. Er half vielen Juden in Shanghai, den Verfolgungen zu entkommen. Er war ein Mann von Welt und ich habe das Gefühl, hier im Zentrum der Welt zu sein. Von den Fenstern meiner Wohnung aus sehe ich den Oriental Pearl Tower, das alte Postgebäude, einige der Brücken, die über den Fluss führen. In Shanghai kann es dir passieren, dass du fast ein wenig das Gefühl hast, in Europa zu sein. Du siehst hier Gebäude im Jugendstil, Gebäude unterschiedlichster europäischer Architekturstile, aber gleichzeitig auch unglaublich viele moderne Gebäude, die Geschichte ist nie übermächtig.“ Die Bar von Anthias Lebensgefährten besteht seit vierundzwanzig Jahren und zählt damit zu den ältesten der Stadt. „Wir sind mit Leuten aus der ganzen Welt befreundet, die seine Bar besuchen. Ich habe mein ganzes Leben in Hongkong gelebt, wo man mit wenig Platz auskommen muss. Meine Wohnung hier ist riesig und geht Richtung Osten. Jeden Tag sehe ich den Sonnenaufgang und jeden Tag hat er eine andere Farbe.“ Ein Umzug aus Liebe, ein Sich-Verlieben in eine neue Stadt, das ist die Geschichte von Anthia. „In Hongkong habe ich für BBC World gearbeitet und natürlich fehlt mir dieses Leben, fehlt mir die Welt der News, das Leben inmitten eines kontinuierlichen Stroms an Nachrichten. Die Pension war eine große Veränderung für mich. Aber ich genieße diese Energie in China, diesen beständigen Wandel. Shanghai ändert sich kontinuierlich, es gibt eine Menge Projekte, die historischen Gebäude werden renoviert. Hinzu kommt, dass die jüngere Generation viel Energie in ihr Studium steckt und viel reist, sie fahren in alle möglichen Länder, um dort zu studieren. Ich glaube, dass in Zukunft noch mehr Europäer Shanghai besuchen und auch hierherziehen werden.“ Vielleicht nicht alle wegen einer alten Jugendliebe, denn Märchen dieser Art sind selten, aber vielleicht aus Liebe zu dieser Stadt, die auf eine so lange Geschichte zurückblickt und zugleich so stark in Richtung Zukunft strebt.

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